In der Pandemie gut führen (Serie „Bequemlichkeit“ Teil 2/6)

Hat die Pandemie unsere Wahrnehmung von Bequemlichkeit verändert? Zumindest wirft sie vieles durcheinander. Unser Lebensrhythmus verändert sich. Viele arbeiten im Homeoffice, eventuell noch parallel mit der Betreuung von Kindern und Homeschooling. Der Weg zum Arbeitsplatz fällt weg. Der unmittelbare Kontakt zu Kollegen und Mitarbeitern ebenso. Unvermittelt muss man in Quarantäne. Und je nach aktuellen oder lokalen Regelungen immer wieder testen.

Für den privaten Bereich bedeutet das, dass alles aufwändiger und umständlicher wird. Für vieles, was bisher Routine war, muss man sich nun erst Gedanken machen und neue Formen und Abläufe finden. Gleichzeitig entdeckt man neue Möglichkeiten, wie man Abläufe, Begegnungen, Beziehungen, Feste neu gestalten kann. Es ist wieder mehr Raum für Kreativität und die Freiheit, Dinge auszuprobieren. Auch die Fehlertoleranz ist oft höher geworden. Man entschuldigt mehr.

Beruflich gilt: Was früher als bequem galt, nämlich von Zuhause aus arbeiten zu können, wird nun oft als unbequem wahrgenommen. Einerseits fällt der teils lange Weg zum Arbeitsplatz weg, damit aber andererseits auch das Umschalten vom privaten in den beruflichen Modus. Die Tagesstruktur, die bisher von außen stark vorgegeben war, muss man sich nun verstärkt selbst schaffen. Nicht jedem entspricht diese Art des Arbeitens. Was früher als bequem galt, ist heute notwendig und teilweise nicht verhandelbar.

Auch der Zeitbegriff wird neu definiert. Gefühlt haben wir mehr Zeit, weil wir weniger unterwegs sind. Online-Meetings statt Dienstreisen. Kein Stau auf dem Weg zur Arbeit, keine überfüllten öffentlichen Verkehrsmittel. Womit füllen wir die so gewonnene Zeit? Arbeiten wir dadurch mehr und teilweise auch zu viel? Dreht sich das Hamsterrad dadurch noch schneller?

Die fehlenden Ortswechsel bergen in sich die Gefahr der zunehmenden Beschleunigung. In der Regel hilft der Wechsel von einem Setting ins andere zur Konzentration auf die anstehenden Aufgaben. Man schaltet besser um. Fällt dies weg, bleibt man unter Umständen auf einem gleichbleibend hohen Anspannungsniveau.

Ebenso fallen die reduzierten Kontakte ins Gewicht. Keiner kommt mal schnell im Büro vorbei, um rasch etwas zu klären, gemeinsame Pausen finden nicht statt, der Kaffee zwischendurch oder der kurze Plausch zwischen Tür und Angel fallen weg. Diese kleinen, oft unbewussten Belohnungen zwischendurch bleiben aus. Man fragt sich, was man den ganzen Tag tun soll, außer zu arbeiten.

Die Herausforderung annehmen

In diesem Setting kann Bequemlichkeit zwei Ausprägungen annehmen. Entweder lässt man sich hängen, sieht ja keiner, wie man am PC sitzt (und ob überhaupt). Oder aber man nimmt die Herausforderung an und überlegt sich, wie man diese Situation proaktiv so gestalten kann, dass man im Ausgleich zwischen An- und Entspannung möglichst bequem arbeiten kann. Man kann kreativ werden im Ausprobieren und Etablieren neuer Routinen, in der Gestaltung der Tagesabläufe und auch der Pausen. Auch im Homeoffice kann man sich zum gemeinsamen Bürokaffee verabreden, dann eben virtuell. Man kann bewusst Sport oder Spaziergänge in den Arbeitstag integrieren, um Ortswechsel zu schaffen. Man kann sich unterschiedliche Arbeitsorte für unterschiedliche Aufgaben zuhause einrichten. Wer bisher viele Telefonate auf dem Weg zum Arbeitsplatz im Auto geführt hat, macht dies nun vielleicht auf einem längeren Spaziergang. Neue Formen des Arbeitens ermöglichen uns auch, Neues zu lernen. Warum das nicht aktiv angehen? Was brauche ich noch an Wissen oder Fähigkeiten, um nun unter den veränderten Bedingungen ebenso gut oder sogar besser als vorher arbeiten zu können? Der Weiterbildungsmarkt hat sich ja ebenfalls verändert und mit kleinteiligeren und virtuellen Formaten reagiert. Warum das nicht bewusst nutzen?

Was bedeutet dieses veränderte Setting für Führungskräfte? Woran merke ich, dass es sich jemand in meinem Team entweder zu bequem macht oder einer größeren und ungesunden Belastung durch die Homeoffice-Situation ausgesetzt ist?

Gereiztheit und Ungeduld bis hin zu offen ausgelebter Aggressivität ist ein Anzeichen. Meistens jedoch richtet sich die Überforderung nach innen und wird erst zu spät wahrgenommen. Deshalb muss Kommunikation innerhalb des Teams einen noch größeren Stellenwert bekommen. Aufgabe einer Führungskraft ist es mehr denn je, gezielt nachzufragen, Mehrbelastungen wahrzunehmen und auch zu würdigen. Wer bisher die direkte Kommunikation gesucht hat, kann nun vom Fundament einer guten Beziehung profitieren.

Vielen Mitarbeitern hilft es, wenn man ihnen offiziell die Erlaubnis zur Erholung gibt und sie die Freiheit spüren, ihre Arbeits- und Pausenzeiten so gestalten zu können, wie es ihnen und ihrer Produktivität am ehesten entspricht. Als Führungskraft kann man auch Möglichkeiten anbieten, wenn sich ein Mitarbeiter in seiner Gestaltungsfreiheit überfordert fühlt. Grundsätzlich ist eine Atmosphäre, die Vertrauen ausstrahlt, für das Arbeitsklima und das Arbeiten besser als eine Atmosphäre der Kontrolle. Wer sich kontrolliert fühlt, kann sich schlecht entfalten.

Führungsverantwortung

Was aber tun, wenn man als Führungskraft merkt, dass es einem Mitarbeiter im Team schlecht geht? Dann ist es zunächst wichtig, sich nicht von der Überlastung des Mitarbeiters anstecken zu lassen. Sprechen Sie mit dem Mitarbeiter und überlegen Sie gemeinsam, wie Sie die belastende Situation verändern können. Was liegt in Ihrem Einflussbereich? Was kann der Mitarbeiter selbst verändern? Wo können Strukturen oder Abläufe so angepasst werden, dass sie unterstützend wirken? Aktivieren Sie verfügbare Ressourcen. Spüren Sie auch, wo Ihre Zuständigkeit endet, wo Sie das Problem eventuell delegieren müssen. Aber vermitteln Sie Ihrem Mitarbeiter auf alle Fälle, dass Sie seine Überlastung wahrnehmen und bei der Lösungsfindung an seiner Seite sind. Hier zahlt sich dann aus, wenn Sie vorher schon in die Beziehung zu Ihren Mitarbeitern investiert haben. Auf diesem Fundament lassen sich auch schwierige Situationen besser meistern,

Vergessen Sie bei aller Fürsorge für Ihre Mitarbeiter nicht die Selbstfürsorge für Ihre eigene Person. Üben Sie, sich abzugrenzen und ein gutes Gespür für Ihre Zuständigkeiten zu bekommen. Planen Sie gut. Planen Sie auch Zeiten für Reflexion und Pausenzeiten ein. Lassen Sie solche Zeiten nicht einfach auf Sie zukommen oder schieben Sie sie nicht einfach irgendwo dazwischen. In der Regel finden solche Zeiten nur statt, wenn man sie bewusst einplant und sie im Terminkalender stehen. Üben Sie, sich im Hier und Jetzt zu fokussieren. Wenn Ihnen das schwer fällt und Sie merken, dass Sie gedanklich und praktisch immer mit mindestens drei Aufgaben und Personen gleichzeitig beschäftigt sind, beschäftigen Sie sich mit dem Thema Achtsamkeit. Das ist breit gefächert und bietet Ankerübungen für jeden Persönlichkeitstyp. Finden Sie Übungen, die Sie in Ihrem (Arbeits-)Alltag unterstützen, fokussiert und präsent zu sein. Investieren Sie bewusst in Ihre Selbstführungskompetenz. Ihr wichtigster und engster Mitarbeiter sind Sie selbst. Und wenn Sie für Ihre anderen Mitarbeiter in diesem Bereich sichtbar vorbildlich sind, wird das auch Auswirkungen auf die Selbstführungskompetenz und Selbstfürsorge Ihrer Mitarbeiter haben. Gestehen Sie Ihnen, was Sie sich selbst zu gestehen, damit Sie alle im Team seelisch und physisch gesund arbeiten können.

Zum Weiterdenken:

  • Machen Sie das doch mal zum Thema einer Teambesprechung: Wie geht es uns gerade? Was können wir verändern, damit es uns besser geht? Wie können wir uns gegenseitig unterstützen?
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CHRISTOPH SCHALK

MASTER COACH & PSYCHOLOGE

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