Mitarbeiter coachen – so gelingt es (Teil 6)
Coaching ist dann erfolgreich, wenn es minimalinvasiv arbeitet. Meistens geht es nicht um große Pläne, sondern um Kleinigkeiten – die aber für den Erfolg sehr entscheidend sein können.
Finden Sie den Unterschied
Wenn man sich mit den feinen Abstufungen der Antworten auf Skalenfragen (Die schlichte Frage, „Wie schätzen Sie Ihre aktuelle Situation auf einer Skala von eins bis zehn ein? Zehn steht für den wünschenswerten Zustand und eins steht für das völlige Gegenteil davon.“, sowie Variationen davon) beschäftigt, stößt man oft auf eine Fundgrube interessanter Ansatzpunkte. Entscheidend bei den Skalenfragen ist eigentlich nie der Zahlenwert an sich, den der Coachee nennt. Spannend sind vielmehr die Unterschiede zwischen den Werten. Die vom Coachee angegebenen Werte stellen nämlich seine rein subjektive, persönliche Wahrnehmung einer Situation oder seiner Fähigkeiten dar.
Der Coach versucht durch Fragen herauszufinden, wo es – wenn auch minimale – Fortschritte gibt: „Was macht den Unterschied aus, dass Sie heute schon auf der Vier stehen und nicht mehr auf der Eins? Was hat also schon funktioniert? Wann gab es positive Ausnahmen?“ Dabei geht es selten um praktische Fähigkeiten, sondern meistens viel eher um so genannte Soft Skills – um Charaktereigenschaften, soziale Fähigkeiten oder Persönlichkeitsmerkmale.
Oft ist für die Bewältigung einer Situation nämlich nicht so wichtig, wie gut und korrekt jemand eine Bilanz erstellen kann, sondern ob er auch unter Druck gelassen arbeiten kann. Oder ob es ihm gelingt, auch in Stresssituationen freundlich aber nachdrücklich mit den Kollegen zusammenzuarbeiten. Oder wie gut es jemand schafft, nicht auszuflippen, wenn der Chef einen Termin vorverlegt, sondern andere Möglichkeiten zu finden, Frust abzubauen, die nicht auf Kosten des Betriebsklimas und der eigenen Gesundheit gehen.
Achten Sie also beim nächsten Coaching-Gespräch darauf, die Soft Skills Ihres Coachees wahrzunehmen und zu benennen.
Entdecken Sie Vorboten
Diese „weichen“ Fähigkeiten sind oft der Grund, warum sich Coachees auf der Skala höher einordnen als beim vorherigen Gespräch oder zu Beginn des Coachings. Hier hakt der Coach ein: „Wie haben Sie es geschafft, in dieser Situation ruhig zu bleiben?“ „Wie ist es Ihnen gelungen, Ihrem Kollegen freundlich zu sagen, dass er Sie nicht ständig stören soll?“
Dann stellt sich zum Beispiel heraus, dass der Coachee die Mittagspause ausnahmsweise mit einer netten Kollegin verbracht hat. Oder dass er sich Zeit für einen kleinen Spaziergang genommen hat. Oder dass er sich gesagt hat: „Ich arbeite so schnell und so gut ich kann. Wenn ich den Termin trotzdem nicht einhalten kann, werde ich das dem Chef erklären und ihm eine genaue Zeitangabe machen können, wie lange ich für das Projekt noch brauchen werde.“ An Ihnen als Coach ist es dann, diese Vorboten, also Situationen, in denen etwas schon einmal besser funktioniert hat als sonst, hervorzuheben und zu verstärken.
Der Coachee kann darüber nachdenken, wie er diese positiven Elemente ausbauen und regelmäßig in seinem Alltag einsetzen kann. Vielleicht fallen ihm dann spontan noch mehr Dinge ein, die ihm in belastenden Situationen helfen könnten. Dann geht es ans Ausprobieren und Einüben. Im nächsten Coaching-Gespräch können Sie anhand der Skala messbar sehen, ob es sich gelohnt hat, an den Vorboten zu arbeiten. In der Regel lohnt es sich sehr.
Vorboten lassen sich als Highlights der letzten Zeit auf der Skala sichtbar machen. Probieren Sie es im nächsten Coaching-Gespräch aus: Sie werden Ihren Coachee damit sehr ermutigen.
Zum Weiterdenken
Haben Sie ein gutes Auge und Ohr für Kleinigkeiten? Wenn nicht, wie können Sie diese wichtige Fähigkeit schulen?