Schneller Rat – oder lieber guter Rat?

Oft ist man versucht, schnell mal einen guten Rat zu geben, der dann aber doch nicht so gut ist. Lieber mal zugunsten eines guten Rates auf den schnellen Rat verzichten. Wie es gehen kann, lesen Sie hier.

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Herr Zorn leitet seit über 20 Jahren eine Abteilung in seiner Firma. Aufgrund eines nicht selbst verschuldeten Arbeitsunfalls muss er längere Zeit im Krankenhaus verbringen. Als er endlich gesund ist und wieder zur Arbeit geht, muss er feststellen, dass die Abteilungsleitung einem jungen Quereinsteiger übergeben worden ist. Herr Zorn kann nicht mehr an seine bisherige Stelle zurückkehren. Der neue Mitarbeiter wird sein Vorgesetzter und er muss sogar unter ihm arbeiten.

Wie würden Sie spontan reagieren?

Nehmen Sie sich nun Zeit, sich emotional in diese Situation hineinzuversetzen, bevor Sie weiterlesen.

Dann beantworten Sie folgende Fragen – vielleicht sogar schriftlich.

  • Welche Gedanken und Gefühle haben Sie, wenn Sie von dieser Situation hören? Wie betroffen macht Sie dieses Schicksal? Wie gut können Sie sich damit identifizieren und mitfühlen?
  • Was vermuten Sie, wie sich Herr Zorn in dieser Situation fühlt? Was denkt er vermutlich? Wie könnte er reagieren? Was könnte er tun?
  • Versetzen Sie sich jetzt einmal in die Lage seines Nachfolgers? Wie geht es diesem dabei? Was fühlt er wohl? Was denkt er vermutlich?
  • Versetzen Sie sich nun in die Lage des Vorgesetzten von Herrn Zorn, der den Führungswechsel entschieden hat. Was fühlt er wohl? Was denkt er vermutlich?
  • Angenommen, Sie wären Herr Zorn: Welches verhalten fänden Sie dann wenig hilfreich oder sogar schädlich? Was würde die Lage noch schlimmer machen?
  • Welchen Umgang mit der Situation fänden Sie kurzfristig und langfristig sinnvoll und hilfreich?
  • Überlegen Sie, ob diese schlimme Situation trotzdem auch ihre positiven Seiten für Herrn Zorn haben könnte.
  • Stelen Sie sich vor, wie das Leben von Herrn Zorn in fünf Jahren aussehen könnte. Wie wird er im Rückblick über diese Krise denken?
  • Stellen Sie sich fünf möglichst unterschiedliche Menschen vor, die sich mit dem Fall von Herrn Zorn befassen sollen. Was wären typische Herangehensweisen dieser Menschen, um mit einer Situation umzugehen? Was würden Sie Herrn Zorn raten?
  • Überlegen Sie nun, wie eine gütige Großmutter, ein warmherziger Pfarrer, ein tiefblickender Psychologe, ein effizienter Manager und ein alter Weisheitslehrer aus Afrika typischerweise mit der Situation umgehen würden. Was würden Sie Herrn Zorn raten?

Und was würden Sie Herrn Zorn nun raten? Was hat sich gegenüber Ihrem ersten Impuls verändert? Die Fragen haben Ihnen geholfen, eine Situation aus allen möglichen Blickwinkeln zu betrachten. Sie haben die Perspektive der verschiedenen beteiligten Personen eingenommen. Sie haben deren Emotionen und Gedanken nachgespürt. Sie haben vielleicht Interessen gegeneinander abgewogen. Sie haben dadurch vielleicht ein Stück mehr Distanz und Objektivität gewonnen. Was würden Sie Herrn Zorn raten? Würden Sie ihm immer noch den ersten, schnellen Rat geben? Oder den guten Rat – auf der Grundlage Ihrer umfassenden Analyse?

Zum Weiterlesen: Christoph Schalk: Weisheit entwickeln. Krisen meistern und belastbar werden.

Weisheit entwickeln

 

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CHRISTOPH SCHALK

MASTER COACH & PSYCHOLOGE

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